Bei Menschen mit Borderline-Störung findet sich häufig ein geradezu verzweifeltes Bemühen, Verlassenwerden durch andere Menschen zu vermeiden. Dadurch aufgrund anderer Probleme gibt es sehr oft die Neigung sich in intensive, wenig stabile zwischenmenschliche Beziehungen einzulassen, Oft mit genau der Folge, dass diese rasch wieder enden. Menschen mit Borderline-Störung haben Schwierigkeiten mit ihrer eigenen Identität, d. h. mit einer Zugehörigkeit, einem verzerrten und häufig sehr negativen Selbstbild oder einer schlechten Selbstwahrnehmung. Es gibt häufig, um die extremen inneren Anspannungszustände zu bewältigen, selbstschädigende Verhaltensweisen in vielen Bereichen, verbunden mit ausgeprägten Stimmungsschwankungen und häufig auch einem inneren Gefühl der Leere. Die Kontrolle der eigenen Impulse fällt schwer. Zudem können in Krisen auch kurzzeitig psychoseähnliche Zustände vorkommen.
Borderline-Persönlichkeitsstörungen
Woher stammt der Begriff?
In der Geschichte der Psychiatrie wurden psychische Störungen häufig nach der Art der Therapie benannt. So war die Psychoanalyse im frühen vergangenen Jahrhundert eine gängige Behandlungsmethode, und „Neurosen“ konnten psychoanalytisch behandelt werden, „Psychosen“hingegen eher nicht. Offensichtlich gab es Patient/innen, die beiden Krankheitsbildern nicht sicher zugeordnet werden konnten, so prägte sich der Begriff „Borderline“. Adolph Stern beschrieb das Krankheitsbild erstmals 1938 und nannte es „borderline group“. Ab 1980 wurde der Begriff „Persönlichkeitsstörung“ benutzt, und die Borderline-Störung wurde diesen zugeordnet.
Definition DSM u. ICD
Es gibt eine allgemeine Definition von Persönlichkeitsstörungen, diese sind in ihren Symptomen über einen langen Zeitraum nachweisbar, und sie betreffen sowohl besondere Verhaltensweisen, als auch besondere und hinderliche Denkmuster und Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen. Die Therapeuten müssen immer wiederkehrende Muster im Verhalten, im Denken oder im Umgang mit Gefühlen nachweisen. Die Störung sollte bei dem Betroffenen ein offensichtliches Leiden verursachen, häufig mit deutlichen Einschränkungen oder Verlusten in sozialen Bereichen wie beider Arbeit, der Familie und Partnerschaft oder bei sozialen Kontakten. Andere psychische oder körperliche Störungen sollten ausgeschlossen werden.
Begrifflichkeit von Persönlichkeitsstörung in der Psychiatrie
Der Krankheitsbegriff der Persönlichkeitsstörung, auch der Borderline-Störung, wurde immer wieder neu beschrieben, weil das Verständnis für diese Art von psychischer Störung immer mehr zunahm. So ist die Grenze zwischen Persönlichkeitseigenschaften, einem Persönlichkeitsstil und demgegenüber einer Persönlichkeitsstörung sicher fliessend. Menschen mit Persönlichkeitsstörungen haben in der Kindheit, meist der frühen Kindheit und auch in der Jugend versucht mit sehr widrigen Familienbedingungen umzugehen, daher sind viele aktuellen Verhaltensweisen erlernt und waren in der Biografie der Menschen einmal sinnvoll. Dazu ist zu sagen, dass traumatisierende Erfahrungen in der frühen Kindheit häufig eine Rolle spielen, und man kann sich vorstellen, dass solche Erfahrungen derart prägend waren, dass neue Verhaltensweisen schwer zu erlernen sind. Zudem gibt es sicherlich gesellschaftliche Auffassungen von „Normalität“ und eben Störung, die auch von Region zu Region, von Kultur zu Kultur, unterschiedlich sind und sich verändern können.
Menschen mit Borderline-Störung haben häufig Schwierigkeiten mit ihren Gefühlen so umzugehen wie Andere. Es gibt Besonderheiten, die sind für Menschen mit Borderline-Störung typisch, das gilt als hinreichend untersucht und auch erwiesen. Menschen mit Borderline-Störung reagieren emotional meist heftig, haben eine geringe Schwelle für deutliche emotionale Reaktionen. Unangenehme Gefühle werden wenig differenziert wahrgenommen, meist als sehr unangenehm empfundene Anspannung bemerkt. Die Gefühle lassen weniger schnell nach als bei Anderen, es gibt raschere Wechsel von positiver hin zu negativer Stimmung. Borderliner können Gefühle weniger gut differenzieren oder beschreiben, erleben unangenehme, manchmal aber auch angenehme Gefühle als unaushaltbar. Marsha Linnehan, die Gründerin der Dialektisch-Behavioralen Therapie prägte daher den Ausspruch: „Borderliner are emotional phobics!“.
Es gibt für die Schwierigkeit der Borderliner eine schöne Allegorie:
„Wenn wir uns vorstellen, dass Gefühle Pferde sind, so sitzen normale Menschen auf einem Ackergaul und die Patientinnen mit Borderline-Störung auf einem Araberhengst.
Er ist schwer zu kontrollieren und nur schwer zu bremsen.
Reiten lernen müssen alle Menschen, aber Borderline-Patienten müssen Spitzenreiter werden.“
Bei zwischenmenschlichen Begegnungen das Ansinnen, die Wünsche oder auch seine Gefühle und Motive ein wenig zu erkennen nennt man Mentalisierung. Bei Menschen mit Borderline-Störung gibt es einige Besonderheiten, die für die Störung spezifisch sind. Borderliner können den Gesichtsausdruck und die Gestik Anderer nicht gut deuten, sie nehmen daher neutrale Gesichtsausdrücke eher als wenig vertrauenswürdig oder feindselig wahr. Daher werden neutrale soziale Situationen häufig als Zurückweisung gedeutet. Das Gefühl für Bedrohung in zwischenmenschlichen Begegnungen tritt daher viel häufiger auf, auch weil negative Ereignisse eher als von feindseligen Menschen gemacht gesehen werden, und nicht situativ bedingt. Die Perspektive anderer Menschen einzunehmen, fällt schwer, wobei Anderen eher negative Gefühle zugeschrieben werden. Dies sind sehr spezielle Schwierigkeiten, die aber sehr typisch sind für Menschen mit Borderline-Störung.
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Es gibt verschiedene neue und sehr wirksame Psychotherapien, die bei Borderline-Störung empfohlen sind. Empfohlen sind sogenannte Verhaltenstherapien der 3. Welle, d. h. Therapien die allesamt auf den Umgang mit Gefühlen fokussieren, neben der Dialektisch-Behavioralen Therapie auch die Schematherapie, oder aus dem Bereich der Tiefenpsychologie die Mentalisierungsbasierte Psychotherapie. Verschiedene Kliniken haben sich auf einzelne Therapien spezialisiert, wir in der Tagesklinik bieten die Dialektisch-Behaviorale Therapie an und sind Mitglied im Dachverband DBT e. V.. Ambulant bieten wir ein Gruppenskillstraining an sowie ein Gruppenskillstraining für Eltern.
Dialektisch-Behaviorale Therapie
Die Dialektisch-Behaviorale Therapie, (kurz DBT) wurde entwickelt von Marsha Linnehan, die vermutlich selbst an einer Borderline-Störung litt, später Psychotherapeutin wurde und die verschiedene Methoden miteinander verband, insbesondere die kognitive Verhaltenstherapie mit fernöstlichen Meditationstechniken, der Achtsamkeit als zentralem Element der Therapie.
Die Wirksamkeit der Therapie ist von allen Therapiemethoden am besten belegt, die Ausbildung der Therapeuten und Fachkräfte ist sehr standartisiert, so dass verschiedene Zentren eine gleiche Therapie anbieten können. Sie ist speziell geschaffen für Menschen mit Borderline-Störung, aber auch wirksam bei verschiedenen anderen Störungen.
Grundannahmen in der Therapie sind:
- Patient/innen geben ihr Bestes.
- Sie wollen sich verändern.
- Sie müssen sich stärker anstrengen und härter arbeiten, um sich zu verändern, als wir.
- Sie tun gut daran zu lernen wie sie ihre Probleme selbst lösen – auch wenn die Probleme oft von Anderen verursacht wurden.
- Situationen werden oft schmerzhaft und schwer erträglich erlebt.
- Sie tun gut daran in vielen wichtigen Situationen des Lebens neue Verhaltensweisen zu lernen.
- Wahrheit ist immer subjektiv.
- Patient/innen können in der Therapie nicht versagen!
- Therapeut/innen müssen sich gegenseitig unterstützen.
Psychotherapie ist immer das Mittel der ersten Wahl bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörung. Medikamente können unterstützen, wie beruhigende Medikamente bei emotionalen Krisen oder Antidepressiva bei schwer depressiver Symptomatik, sind aber nicht heilend wirksam.