Ohne Krankenhäuser stehen die Betten im Freien
In den kommenden Tagen beteiligen sich die Krankenhäuser im Kreis Borken und im Kreis Coesfeld an der nächsten Stufe der bundesweiten Protestaktion „Alarmstufe ROT“ der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Mit deutlich sichtbaren Aktionen werden die Kliniken auf ihre prekäre wirtschaftliche Lage aufmerksam machen. Die Krankenhäuser fordern gemeinsam einen Inflationsausgleich, die vollständige Übernahme der gerechtfertigten Personalkosten-Steigerungen sowie insgesamt eine abgestimmte Krankenhaus-Reform auf Bundesebene unter Mitwirkung der Krankenhäuser.
An den Krankenhausstandorten der Christophorus Kliniken, des Klinikums Westmünsterland sowie am St. Antonius-Hospital Gronau, dem Ev. Lukas-Krankenhaus Gronau und dem St. Marien-Krankenhaus Lüdinghausen werden dazu im Außenbereich bzw. in den Eingangsbereichen spezielle Betteninstallationen oder Informationsplakate zu sehen sein, die auf den drohenden „kalten“ Strukturwandel im Bereich der stationären Versorgung aufmerksam machen.
Die Krankenhäuser können ihre Preise nicht selbst gestalten, da diese durch den sogenannten Landesbasisfallwert reguliert werden, erläutern die Geschäftsführer Christoph Bröcker (St. Antonius-Hospital Gronau), Ludger Hellmann (Klinikum Westmünsterland), Dr. Mark Lönnies (Christophorus Kliniken), Johannes Simon (St. Marien-Hospital Lüdinghausen) sowie Interimsstandortleiter Marvin Söding (Ev. Lukas-Krankenhaus Gronau). Sie kritisieren, dass das derzeitige Berechnungssystem die erheblichen Tarif- und Inflationssteigerungen nicht ausreichend berücksichtigt. „Nur die Bundesregierung kann den Preismechanismus anpassen. Sie weiß um die dramatische Situation der deutschen Krankenhäuser, bleibt jedoch untätig", so die Geschäftsführer.
Trotz wiederholter Appelle an Gesundheitsminister Lauterbach, die finanzielle Schieflage durch Anpassung der Landesbasisfallwerte zu korrigieren, ist bislang keine Besserung in Sicht. „Nach zwei Jahren des Bittens und Erklärens herrscht nicht nur große Unsicherheit, sondern inzwischen vielfach Verzweiflung in den deutschen Kliniken", betonen die Geschäftsführer. Die geplanten Protestaktionen zielen darauf ab, die Bevölkerung im westlichen Münsterland über die bereits spürbaren Konsequenzen der politischen Untätigkeit zu informieren. Besonders in ländlichen Regionen ist der Fortbestand einer wohnortnahen, stationären medizinischen Versorgung gefährdet.
Den Kliniken steht das Wasser inzwischen bis zum Hals. Dennoch weist Minister Lauterbach weiterhin alle Forderungen, die insolvenzbedrohte Krankenhauslandschaft kurzfristig zu stabilisieren, konsequent von sich. Nach Auffassung des Ministers gäbe es keinen Anlass, für 2024 oder 2025 ein großes Krankenhaussterben zu erwarten – eine Einschätzung, mit der er inzwischen ziemlich alleine dasteht. Rund 80 Prozent der deutschen Kliniken schreiben aktuell rote Zahlen. Zu befürchten ist, dass der Minister erhebliche Umbrüche mit ungeordneten Krankenhausschließungen und reduzierten Kapazitäten in Vorgriff auf seine geplante Krankenhausreform billigend in Kauf nimmt.
„Die Krankenhäuser im westlichen Münsterland bieten den Menschen eine Versorgung auf hohem medizinischen Niveau“, sind die Geschäftsführer überzeugt, „das darf durch politische Untätigkeit in Berlin nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Bisher bestand für Kliniken in freigemeinnütziger Trägerschaft nicht die Gelegenheit, in den Genuss des Verlustausgleichs durch die öffentliche Hand zu kommen. Das führt auch zu einer Benachteiligung zum Beispiel mit Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft oder mit Unikliniken.“
Schon im vergangenen Jahr hatten die Krankenhäusern im Kreis Borken und Kreis Coesfeld im Rahmen einer großen Protestaktion der DKG, inklusive deutschlandweiter Demonstrationen, darauf aufmerksam gemacht, dass sich die Kliniken in einer dramatischen wirtschaftlichen Situation befinden. Untersuchungen wie die Winterumfrage 2024 für den Krankenhaus-Index des Deutschen Krankenhausinstituts spiegeln dies deutlich wider.
Hintergrundinformation
Haben die Krankenhäuser nicht bereits finanzielle Hilfen erhalten?
Immer wieder erklärt Bundesgesundheitsminister Lauterbach öffentlich, er habe die Krankenhäuser bereits umfangreich finanziell unterstützt. Die konkrete Unterstützung hat sich jedoch auf die Energiehilfen beschränkt. Diese Hilfen sind inzwischen ausgelaufen, und das Grundproblem bleibt, dass die Krankenhäuser heutige Preise und die Lohnkostensteigerungen mit den Einnahmen von 2021 bezahlen müssen. Ansonsten haben die Krankenhäuser jüngst Gelder aus den Pflegebudgets, die ihnen für die Gehälter der Pflegekräfte ohnehin zustehen, früher ausgezahlt bekommen. Der Gesundheitsminister stellt dieses Geld fälschlicherweise als zusätzliche Hilfe dar.