Rekonstruktive Supermikrochirurgie des Lymphödems
Die Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie am St. Marien-Hospital Borken erweitert ihr Spektrum um die Rekonstruktive Supermikrochirurgie. Zuständig für den Bereich, sind Chefarzt Prof. Dr. Patrick Jaminet und Dr. Pascal Kirchhoff, der sich bereits seit Jahren mit den Themenfeldern der Micro- und Supermicrochirugie befasst und das Team seit Juli 2021 verstärkt. Profitieren sollen hiervon unter anderem Patienten mit einem sogenannten „Lymphödem“, einer anhaltenden Schwellung des Gewebes durch eingelagerte Flüssigkeit.
Die Rekonstruktive Supermikrochirurgie ist die Weiterentwicklung der Mikrochirurgie, bei welcher selbst kleinste Strukturen operativ versorgt werden können. Den Einsatz findet diese Technik regelmäßig in der Versorgung von Handverletzungen zur Versorgung von Nerven und Gefäßen, bei der Wiederherstellung von Weichteilen bei Wundheilungsstörungen sowie bei dem Brustaufbau durch Eigengewebe nach Brustkrebs. Durch jahrelange Weiterentwicklung der Techniken und durch immer stärkere Vergrößerungen der OP-Mikroskope können nun sogar Strukturen unter 1mm versorgt werden. Bereits im vergangenen Jahr investierte das Klinikum Westmünsterland die Anschaffung neuer Medizintechnik, welche es ermöglicht Lymphbahnen sichtbar zu machen. Hierdurch kann während einer ambulanten Testung nicht nur die Diagnose eines Lymphödems gesichert werden, sondern bereits in Echtzeit mit dem Patienten unterschiedliche Therapieoptionen erörtert werden.
Die Neuerungen in der Klinik für Plastische Chirurgie und Handchirurgie ermöglichen nun den neuen Therapiezweig der Rekonstruktiven Supermikrochirurgie des Lymphödems, der sogenannten Lymphchirugie. Damit können jetzt auch Lymphödeme nach Trauma oder Tumoroperation operativ behandelt werden.
Das Lymphgefäßsystem ist Teil des menschlichen Immunsystems im Körper. Die Lymphgefäße filtern und entsorgen Stoffe, die in Flüssigkeit gelöst sind, wie zum Beispiel Blut-Eiweiße, Fettsäuren sowie Stoffwechsel- oder Entzündungsprodukte. Ist der Lymphabfluss gestört, stauen sich diese Flüssigkeiten, die als „lymphpflichtige Last“ oder kurz „Lymphe“ bezeichnet werden, im Gliedmaßengewebe – häufig in den Beinen oder Armen. Sammeln sich diese Flüssigkeiten im Zwischenzellraum an, können sich Lymphödeme bilden. In der Medizin wird zwischen angeborenen bzw. primären Lymphödemen und solchen, die sich erst im Laufe des Lebens bilden (sekundäre Lymphödeme), unterschieden. Sekundäre Lymphödeme treten in der Regel als Folge äußerer Einflüsse wie zum Beispiel Operationen, Erkrankungen oder Verletzungen auf. „Häufig entstehen sie in Folge von Krebserkrankungen, wenn das Lymphgefäßsystem im Rahmen der Krebstherapie durch notwendige Eingriffe wie einer operativen Entfernung von Lymphknoten oder Bestrahlungen geschädigt wird“, erklärt Prof. Dr. Patrick Jaminet. Als Schwerpunktabteilung mit zentraler Bedeutung für die Region Westmünsterland versorgen Prof. Jaminet und sein Team auch viele Patientinnen und Patienten aus dem Brustzentrum und dem Onkologischen Zentrum des Klinikum Westmünsterland.
Hintergrundinformation:
Als Therapie gibt es in der Lymphchirurgie übergeordnet zwei Ansätze. Die lymphovenöse Anastomosierung und den vaskulären Lymphknotentransfer. Die LVA (lymphovenöse Anastomosierung) ist eine lymphatische Bypass-Operation bei welcher vor einer lymphatischen Abflussbehinderung eine Umleitung der Lymphgefäße auf kleinste Venen erfolgt. Diese natürliche Verbindung, die sonst herznah angelegt ist, ermöglicht es den Lymphabfluss zu erleichtern. Dies kann man sich wie eine Umleitung auf einer gesperrten Autobahn vorstellen. Die andere Variante ist der VLKT (vaskulärer Lymphknotentransfer) bei welchem körpereigene Lymphknoten aus einer anderen Region in das betroffene Gebiet transplantiert werden. Diese Operation ist komplexer und wird deutschlandweit an nur wenigen Zentren durchgeführt. Nach der Transplantation nistet sich der Lymphknoten in dem Gewebe ein und bildet ein neues Lymphnetz aus, welches das geschädigte ersetzt. Beide Therapievarianten können kombiniert werden und müssen individuell auf den Patienten zugeschnitten werden. Als unterstützende Maßnahme können diese Therapieprinzipien auch bei Lymphansammlungen unter der Haut, sogenannten Lymphozelen, als auch bei fortbestehendem Lymphfluss, der Lymphorrhoe, eingesetzt werden.
Prof. Jaminet und Dr. Kirchhoff erwarten durch die neuen Operationsmöglichkeiten die Versorgung der Westmünsterländer und leidender Patienten deutschlandweit zu verbessern.