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Rebooting: Gefährlicher Trend und unnötige Scham

Rebooting, auf Deutsch „Neustart“, bezeichnet Programme, die dazu aufrufen, über einen längeren Zeitraum auf sexuelle Aktivitäten wie Masturbation und den Konsum von Pornografie zu verzichten. Initiativen wie „NoFap“ oder „Reboot Nation“ propagieren die Idee, dass Pornografie eine Art Sucht sei, die zu Problemen wie geringer Selbstachtung, Erschöpfung oder sogar sexuellen Funktionsstörungen führe. Ziel ist es, durch Abstinenz die eigene Gesundheit zu verbessern und das Selbstbewusstsein zu stärken.

Die Kehrseite der Bewegung

Obwohl die Bewegung behauptet, junge Männer zu unterstützen, weist sie gravierende Schwächen auf. Die meisten der zugrunde liegenden Foren werden von Laien betrieben, die sich selbst als Experten ausgeben. In diesen Online-Communities berichten Teilnehmer von vermeintlichen Erfolgen, aber auch von Schwierigkeiten und Rückfällen. Dabei sind die Diskussionen oft geprägt von einem rauen Umgangston und diskriminierenden Kommentaren. Viele Nutzer berichten zudem von Selbstzweifeln und psychischen Belastungen wie Depressionen. Besonders problematisch: Anstatt professionelle Hilfe zu suchen, wird den Betroffenen oft geraten, stur weiterzumachen.

Psychische Belastungen und ihre Folgen

Eine wissenschaftliche Studie, die die Auswirkungen des Rebootings untersuchte, zeigt, dass Teilnehmer solcher Programme häufiger unter Depressionen, Angststörungen und sexuellen Funktionsstörungen leiden. Die Forscher vermuten, dass der abstinenzbasierte Ansatz diese Probleme sogar verstärken könnte. Interessanterweise fand die Studie keine Hinweise darauf, dass der Konsum von Pornografie allein erektile Dysfunktionen verursacht. Stattdessen spielt die psychische Gesundheit, etwa das Vorliegen von Depressionen, eine wesentlich größere Rolle. Die Scham, die durch die Ideologien der Rebooting-Bewegung geschürt wird, könnte die Situation noch verschlimmern.

Schädliche Wirkung von Schamgefühlen

Die Tabuisierung von Sexualität kann langfristig erhebliche Folgen haben. Vor allem die sogenannte Masturbationsscham – häufig durch kulturelle oder religiöse Prägungen bedingt – führt nachweislich zu psychischen Belastungen. Zudem zeigen Untersuchungen, dass abstinenzorientierte Predigten junge Menschen in ein Risiko für uninformierte und riskante sexuelle Entscheidungen bringen können, da es ihnen an offener und sachlicher Aufklärung fehlt.

Masturbation aus urologischer Sicht

Aus der Perspektive der Urologie gibt es keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass Masturbation zu erektiler Dysfunktion führt. Im Gegenteil: Regelmäßige Masturbation wird oft als Teil einer gesunden Sexualität betrachtet und kann sogar zur Durchblutung und allgemeinen Gesundheit der Sexualorgane beitragen. Studien zeigen, dass sexuelle Aktivität, ob allein oder mit Partner, keine negativen Auswirkungen auf die erektile Funktion hat. Vielmehr können psychische Belastungen wie Stress oder Depressionen die Hauptursachen für sexuelle Probleme sein.

Warum professionelle Hilfe der richtige Weg ist

Es gibt Menschen, die tatsächlich unter zwanghaftem sexuellen Verhalten oder exzessivem Pornografiekonsum leiden. Für sie ist es entscheidend, professionelle therapeutische Unterstützung zu suchen, anstatt auf unqualifizierte Laienprogramme zu vertrauen, die oft wissenschaftlich fragwürdige Aussagen machen.

Aufklärung als Schlüssel zu gesunder Sexualität

Ein offener Umgang mit Sexualität und fundierte Aufklärung können dazu beitragen, unrealistische Erwartungen und falsche Ideologien zu entkräften. Junge Menschen sollten ermutigt werden, Sexualität als natürlichen Bestandteil ihres Lebens zu akzeptieren, frei von Schuldgefühlen oder Tabus. Nur so können sie ihre psychische und körperliche Gesundheit langfristig schützen.